Philipps Decke

Philipp mit Schmusedecke und Schmusepapa
Wie kuschelig

Mein Murkelchen,

wie ticken Eltern? Dazu kann ich die Geschichte deiner Decke erzählen.

 

Deine Mami kann nicht stricken, aber eine deiner ältesten Freundinnen hat schon im Juli letztes Jahr diese wunderschöne Decke fertig gestellt, die daher schon die Endphase meiner Schwangerschaft nachts meinen Murkelbauch bedeckte. Diese Decke war der Mami immer mehr als nur eine simple Decke. Als du zur Welt kamst, erst im Brutkasten, dann im Wärmebettchen lagst, war die Decke mit dabei. Auch bei uns zuhause war sie immer im Einsatz: sie ist nicht nur toll zum Zudecken, sondern auch, um ein Nestchen zu bauen.

 

Im November breitete sich plötzlich ein dunkler Fleck auf der Decke aus, der den Weg aus der Windel durch den Strampler gefunden hatte. Erst Stunden später hatte ich Zeit, mit allerlei Mitteln und Tinkturen mich ans Auswaschen zu machen und der Fleck war zäh. Er blieb. Die Mami war richtig traurig darüber, auch sehr ärgerlich über sich selbst: ich hätte den Fleck direkt entfernen müssen. Aber der Fleck blieb mitten auf der wunderschönen Decke und deine Mami hat jeden Tag aufs Neue geseufzt.

 

Seitdem du gestorben bist, ist die Decke Mamis wichtige Überlebenshilfe. Nachts kuschelt sie sich rein und findet, dass da was nach Murkelchen riecht. Außerdem war die Decke - vom Teddy abgesehen- dein konsequentester Begleiter. Sie ist mit keinem Goldschatz aufzuwiegen.

 

Doch nun ist es passiert, dass diese heilige, wunderbare Decke sich unter die Bettwäsche in die Waschmaschine gemogelt hat. Nach einer zweistündigen 60-Grad-Wäsche fiel mir die Decke direkt als erstes aus dem Bullauge entgegen. Diese Decke, die auf immer und ewig deinen Geruch, deine Spucke, deine Hautschüppchen bewahren sollte. Sofort im Keller ist das Unglück über mir zusammen geschlagen und ich habe eine Woche nicht aufhören können zu weinen.

 

Weißt du, kleines Spätzchen, da denkt man doch, nach dem Tod eines Kindes könnten keine Katastrophen mehr kommen. Aber die mitgewaschene Decke hat so viel weggespült und war eine Katastrophe. Dein Papa hat mich weinend in der Küche gefunden, ich hab kurz erzählt, was los ist und er hat schnell beunruhigt gefragt. „Ist der Fleck noch drin?“ „Ja.“ „Dann ist gut.“

 

Bei mir dauert es länger, bis ich sagen kann, dann ist gut, aber eins stelle ich fest: der Fleck macht mich glücklich. Und dein Papi auch, der mich immer wieder erdet.

Mein kleiner süßer Junge, so ticken deine Eltern.

 

Küsse über und über von deiner Mami

 

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Kommentare: 5
  • #1

    silvana (Freitag, 17 August 2012 17:26)

    Ach, liebe Tanja, jetzt sitze ich da und die Tränen kullern. Deine Worte sind wie so oft so traurig und so schön zugleich.
    ich denke, nichts auf dieser Erde, auch keine Waschmaschine, kann die Erinnerung und den Geruch, vom lieben Philipp aus eurer Nase vertreiben.
    lg silvana

  • #2

    annette (Sonntag, 19 August 2012 22:30)

    liebste Freundin,

    ich bin so sehr gerührt, diese herzzerreißende Geschichte - so einfühlsam von dir geschrieben - hier zu lesen, wo du sie mir doch bereits mündlich erzählt hast.

    Trauer sucht sich ihre eigenen Wege, diese Decke nimmt auch jetzt noch den gleichen Stellenwert darin ein, genau wie du es schreibst: Sie ist von Beginn dabei gewesen, hat dich und das Murkelchen stets begeleitet und hat zum Glück diesen Fleck bekommen, der jetzt so wichtig ist. Männer stellen oft die entscheidenden Fragen, da sehen wir es mal wieder.

    Sei umarmt

    Annette

  • #3

    Ulla (Mittwoch, 05 September 2012 20:28)

    Liebe Tanja,
    mir tut es weh, wenn ich lese wie traurig Du bist.
    Ich würde dich, wenn ich könnte in den Arm nehmen und ganz still versuchen Dich zu trösten, obwohl nichts helfen kann dir Deinen Schmerz zu nehmen.

    Ich drücke dich ganz fest.
    LG Ulla

  • #4

    Mia und Britta (Donnerstag, 06 September 2012 05:52)

    Lieber Philipp.Heute vor einem Jahr bekamen wir die wundervolle Nachrricht,das du auf die Welt gekommen bist.Wir haben uns so sehr gefreut.Heute ist ein Tag der Erinnerung,kein Tag zum traurigsein.Ein bisschen schaemen wir uns,weil dein Geburtstag fuer uns heute etwas besonderes ist.Mias schwerer Weg ist heut zu Ende und wir schauen nur noch nach vorne.Das macht die Mama traurig,weil wir den Weg gerne mit dir gegangen waeren.Egal,wo du jetzt bist,wir werden immer an dich denken.

  • #5

    annette (Freitag, 07 September 2012 17:25)

    Liebe Tanja und lieber Gerd,

    danke, dass ich gestern mit euch und anderen lieben Menschen den ersten Geburtstag von eurem Murkelchen begehen durfte. Viele Erinnerungen kamen wieder, der Tag seiner Geburt in der Charité, die vielen Stunden im zeitlosen Zimmerchen, auf Gerds Brust, in deinen Armen, liebe Tanja. Es sind unzählige Bilder, die ich auch ohne die Fotos in mir wachzurufen vermag. Euer Blog, der uns allen immer wieder die Nähe zu Philipp ermöglichte besitzt eine Einmaligkeit, Unwiderholbarkeit in seiner Echtheit. Friedlich ist es in mir, wenn ich an die letzten Bilder denke, ohne Schläuche... Ich bin traurig und bewundere euch beide zutiefst.

    Seid umarmt

    Annette